Die aktuellen Ereignisse der „LEGIDA-Bewegung“ in Leipzig nimmt der Leipziger Strafverteidiger e.V. zum Anlass, folgende Stellungnahme abzugeben:

Die von der Gruppierung „LEGIDA“ (Leipziger gegen die Islamisierung des Abendlandes) vertretenden Positionen, veröffentlicht in einem Positionspapier (vgl. PDF 1), sind mit dem Rechtsstaat und der in Deutschland gelebten Demokratie unvereinbar. Der Leipziger Strafverteidigerverein lehnt die in diesem Positionspapier letztlich geforderte Abschaffung bzw. Aushöhlung der im Grundgesetz garantierten Rechte, insbesondere des in Artikel 16a GG garantierten Grundrechts auf Asyl, entschieden ab.

Angesichts der Kriege in der Welt, der Flüchtlingssituation im Mittelmeerraum sowie der eklatanten Missachtung der in der Menschenrechtskonvention verbrieften Rechte in vielen Staaten gebietet es der humanistische Grundgedanke gerade für die Menschen, die in ihren Herkunftsländern keinen Schutz beanspruchen können, einzustehen und ihnen die in unserer Rechtsordnung gewährten Ansprüche zuteil werden zu lassen.

Die im Positionspapier der „LEGIDA-Bewegung“ enthaltene Propagierung vom „Erhalt der christlich–jüdisch wertgeprägten Kultur“ enthält stark nationalistische Ansätze. Die Unterscheidung von Menschen nach ihrer Religionszugehörigkeit ist nicht nur mit Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ unvereinbar, sondern stellt faktisch auch eine Abschaffung der in Art. 4 GG grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit dar.

Wenn durch die „LEGIDA-Bewegung“ immer wieder eine Unterscheidung zwischen „guten Flüchtlingen“ – weil notwendig integrierten und/oder integrierbaren – und „schlechten Flüchtlingen“ – weil nicht ihren Vorgaben entsprechend – vorgenommen wird, so geht dies weder mit dem Grundgesetz, der Europäischen Menschen¬rechts-konvention noch mit der Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen konform.

Durch die „LEGIDA-Bewegung“ werden Forderungen zur Änderung und Anpassung des Grundgesetzes erhoben und die Erarbeitung einer Verfassung verlangt. Eine konkrete Auseinandersetzung, welche Änderungen/Anpassungen hier gemeint sind, ist aufgrund fehlender Anknüpfungspunkte zwar nicht möglich, gleichwohl, die Erarbeitung einer Verfassung – was impliziert, dass das geltende Grundgesetz nicht als ein derartiges Rechtsdokument angesehen wird – verkennt, dass das Grundgesetz Verfassungsrang beansprucht.

Die ebenso geforderte Änderung des Wahlgesetzes sowie die geforderte Wahl von Richtern und Staatsanwälten durch das Volk ist mit den geltenden rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar. Richter haben unabhängig vom Ansehen einer Person zu urteilen (Art. 20 GG, Art. 97 GG). Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen objektiv zu führen und sowohl belastende als auch entlastende Tatsachen zu ermitteln (§ 152 StPO).

Mit diesen, die Objektivität der Rechtsprechung gewährleistenden Normierungen, ist es unvereinbar, wenn sich Richter und Staatsanwälte einem politischen oder finanziellen Druck beugen müssen, um wieder gewählt zu werden, respektive die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel zu organisieren. Durch derartige Forderungen werden die Grundprinzipien unserer Rechtsordnung in Frage gestellt.

Im Positionspapier enthaltene Forderungen wie „Abkehr von der Multikultur und Stärkung bzw. Wiedererlangung unserer nationalen Kultur“ oder „Beendigung des Kriegsschuldkultes und der Generationenhaftung“ benötigen keine Kommentierung. Allein die Wortwahl der Verfasserinnen und Verfasser des Positionspapiers verdeutlicht, in welchem Kontext dies zu verstehen sein soll. Mit einer freiheitlich demokratischen Grundordnung hat dies nichts zu tun.

Auch die Forderung nach einer Verschärfung des Strafrechts ist rein populistischer Natur. Nicht jedes gesellschaftliche Problem kann über das Strafrecht gelöst werden, dieses sollte vielmehr stets als ultima ratio der Sicherstellung des Rechtsfriedens dienen. Die aktuell im Strafgesetzbuch verankerten Straftatbestände und deren Strafrahmen sind ausreichend. Die Strafe wird von unabhängigen Gerichten bestimmt, entsprechend der konkreten Umstände der Tat und der individuellen Schuld des Täters. Die Höhe der Strafe hat kriminologisch keinen Einfluss auf mögliche Täter, härtere Strafen schrecken nicht ab.

Als Organe der Rechtspflege nehmen sich Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger der Aufgabe an, für Grund-, Bürger- und Freiheitsrechte einzutreten. Sie stehen in der Pflicht, jeden Menschen gleich, unabhängig von seiner Herkunft, dessen Geschlecht, Religionszugehörigkeit, seiner Einstellung und der ihm zur Last gelegten Tat zu achten, zu respektieren sowie für die Achtung seiner Rechte einzutreten und in diesem Sinne die bestmöglichste juristische Unterstützung angedeihen zu lassen.

*** update***

Am 15.01.2015 wurde das Positionspapier durch LEGIDA geändert (vgl. PDF 2). Einige Positionen wurden teilweise in der Wortwahl abgeändert, der grundsätzliche Inhalt ist jedoch weitestgehend gleich geblieben.